Sonntag, 26. Januar 2014

Ukraine | Der zweite Versuch


Seit Wochen herrschen Proteste in der Ukraine. Die Medien zeichnen ein Bild von einer geschlossenen Opposition mit Boxer Vitali Klitschko an der Spitze, die sich gegen den prorussischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch richtet und eine Anbindung an die EU anstrebt.
Aber: Es ist eben nicht so, dass die gesamte Bevölkerung der Ukraine einen Anschluss an die EU will. Wer will das schon? Die Ukraine ist geteilt, während ein Teil des Westens der Ukraine eine Annektierung an die Europäische Union für wünschenswert hält, ist der Osten eher russophil. Das Verhältnis in der Bevölkerung - pro Russland zu pro EU - hält sich etwa Fünfzig zu Fünfzig.

Der erste Versuch 2004

Bei den Wahlen in der Ukraine 2004 konnte keiner der 24 Präsidentschaftskandidaten die absolute Mehrheit erreichen. Es kam zu Stichwahlen zwischen den russisch orientierten Wiktor Janukowytsch und dem westlich orientierten Wiktor Juschtschenko und zur Orangenen Revolution.
Janukowytsch gewann die Wahl knapp. Sehr knapp! Mit 49,42 Prozent der Stimmen, Juschtschenko erhielt 46,69 Prozent. Rufe der Wahlmanipulation wurden laut und schließlich befasste sich, unter Begleitung massiver Proteste, das oberste ukrainische Gericht mit der Sache und erklärte die Stichwahlen am 03. Dezember 2004 für ungültig und ordnete eine Wiederholung bis zum 26. Dezember 2004 an. Am 28. Dezember gab die Wahlkommission das vorläufige amtliche Endergebnis bekannt, wonach Wiktor Juschtschenko zum Sieger erklärt wurde. Er erzielte 51,99 % und Wiktor Janukowytsch 44,19 % der abgegebenen Stimmen. Die Orientierung gen Westen schien geglückt.
Janukowytsch wurde 2006 Regierungschef, zu Beginn des Jahres 2010 wurden Neuwahlen angesetzt. Janukowytsch setzte sich in der Stichwahl am 7. Februar 2010 mit 48,8 Prozent der Stimmen gegen die Multimillionärin Julija Tymoschenko durch und wurde Präsident. Tymoschenko wurde 2011 inhaftiert und sitzt bis heute. Der bisherige Amtsinhaber Wiktor Juschtschenko war bereits im ersten Wahlgang ausgeschieden. Es wurde wieder prorussisch.

Der zweite Versuch 2013/14

Die Protagonisten der heute neu entfachten Twitter-Revolution wünschen sich nicht nur ein Ende der Korruption im Lande (was auch sicherlich alle anderen befürworten würden), sie visieren einen Lebensstandard an, wie sie ihn aus Frankreich oder Deutschland (meinen) zu kennen. Die Revolutionäre der aktuellen Proteste glauben, dass, wenn Janukowytsch und seine Regierung gestürzt ist, der neue Präsident (vielleicht Klitschko) für bessere Verhältnisse sorgen würde, da er einen Anschluss an die EU voran treiben würde. Was die meist recht jungen Twitter-Revoluzzer dabei vergessen ist, dass auch Rumänien zur EU gehört. Dort ist die Armut immer noch so hoch, dass für viele Menschen die einzige Aussicht auf Besserung die Armutsmigration nach Deutschland ist.
Die derzeitigen Steineschmeißer auf und um den Maidan in Kiew haben mit Sicherheit jedes Recht sich gegen eine korrupte Regierung zu erheben, nur der Gedanke an eine Besserung durch Annäherung an die EU ist (sorry) lächerlich. Was auch gerne vergessen wird, in den Medien zu erwähnen, ist, dass es sich bei den Protestlern nicht nur um Anhänger des boxenden Möchtegern-Che-Guevaras, Vitali Klitschko, handelt. Seine Partei UDAR (Schlag) ist nur eine von vielen Retorten-Parteien, die dann zu verschwinden drohen, wenn das Geld der ausländischen Investoren ausgegangen ist. Grob kann die Protestbewegung in drei Lager geteilt werden: In die Klitschko-Partei UDAR, in die der inhaftierten Tymoschenko und in die Swoboda-Partei. Letztere ist eine Partei die in Deutschland noch ganz weit rechts von der NPD einzustufen wäre.
Stein des Anstoßes der erneuten Krawalle in Kiew war das Aufkündigen des Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union durch Regierungschef Mykola Asarow, wodurch sich die Bevölkerung, wie gesagt, eine Anhebung des Lebensstandards versprochen hatte. Doch warum kam es so plötzlich dazu? Platt gesagt: Putin hatte das bessere Angebot. Laut Ukraine-Experte Viktor Timtschenko brauche die Ukraine ungefähr 160 Milliarden um sich „fit für die EU“ zu machen. Die EU selber bot 610 Millionen Euro Kredit an und darüber hinaus wolle man ein gutes Wort beim IWF für weitere Kredite einlegen. Putin kündigte seinerseits an, 15 Milliarden Dollar aus einem russischen Staatsfonds in ukrainische Staatsanleihen zu stecken. "Dies ist an keine Bedingungen geknüpft", betonte er. Außerdem kündigte Putin an, der ehemaligen Sowjet-Republik etwa ein Drittel des Preises für russisches Gas zu erlassen. Statt etwa 400 Dollar pro 1000 Kubikmeter muss die ukrainische Naftogaz nun lediglich 268,50 Dollar an Gazprom zahlen. Eine Annäherung an Russland rückt also erneut in den Fokus, was es zu verhindern gilt.

Die Thinktanks

Ist das, was wir erleben, der zweite Versuch der westlichen Thinktanks aus den USA die Ukraine an den Westen und somit an die EU, aber auch an die NATO anzubinden? Nachdem der erste Versuch im Jahre 2004 mit der Orangenen Revolution auf lange Sicht gescheitert ist, liegt der Verdacht nahe. Es geht schließlich nicht nur darum die Ukraine für westliche Investoren als Markt zu erschließen, sondern auch um das weit verzweigte Netz ukrainischer Gas-Pipelines und um die Ausdehnung westlicher Machtansprüche in Richtung Osten – NATO-Osterweiterung.
Vor dem Niedergang der Sowjetunion und des Warschauer Paktes stimmte der damalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow der deutschen Wiedervereinigung zu, unter der Bedingung, dass sich die NATO nicht weiter in den Osten ausbreiten dürfe. Dieses Versprechen wurde vom Westen gegeben und seit dem immer wieder gebrochen, wie an den Beispielen Tschechien, Polen und Ungarn zu sehen ist. Danach erfolgte die Einladung der Länder Estland, Lettland, Litauen, der Slowakei, Slowenien, Bulgarien und Rumänien, welche am 29. März 2004 der NATO beitraten. Albanien und Kroatien erhielten am 3. April 2008 beim Gipfeltreffen in Bukarest eine Einladung zum Militärbündnis. Die tatsächlichen Absprachen über die NATO Osterweiterung sind bis heute umstritten. Was allerdings gut zu erkennen ist, ist eine Einkreisung Russlands durch neue Mitglieder.
Um diese Expansion der Westmächte voran zu treiben, haben diese zahlreiche Thinktanks ins Leben gerufen. Ein Thinktank, zu deutsch Denkfabrik, ist eine Institution, oder auch Non goverment organisation (NGO), deren Ziel es ist, die politische Meinungsbildung zu beeinflussen.
Einer dieser Thinktanks ist das "National Endowment for Democracy" (NED), finanziert vom Multimilliardär und Hedgefonds-Manager George Soros, auch Gründer der Soros-Stiftung. Unterstützer meinen, NED fördere weltweit eine Vielzahl von sozialdemokratischen und liberalen Gruppen, darunter auch antiamerikanische, sofern diese sich an Normen und Prinzipien der Demokratie halten, wie beispielsweise in Indonesien und eben auch in der Ukraine. Gelenkt wird NED vom CIA-Strategen Gene Sharp. 2011 entstand der Dokumentarfilm „How to start a revolution“ über Sharps globalen Einfluss, der mehrere Preise gewann.
Sharp wiederum hat gleich zwei weitere Keulen in den Händen, mit denen er Demokratie in der ganzen Welt verkauft – Otpor (Widerstand) und das „Centre for Applied Nonviolent Action and Strategies“ (CANVAS).
Erstere Demokratiekeule war eine Organisation aus Serbien, seit 2002 auch Partei, die bei „Umgestaltungen“ in Osteuropa tatkräftig zu gegen war, auch schon in der Ukraine. Maßgebliche finanzielle Unterstützung erhält Otpor von der „Open Society Institute International Renaissance Foundation“, eine weitere Organisation von George Soros. Mitgegründet wurde Otpor in den 1990er Jahren von dem Serben Srdja Popovic. Im Jahre 2000 war Popovic maßgeblich am Sturz von Slobodan Milosevic beteiligt, heute betreibt er „Revolution als Business“, sein mitverfasstes Buch „50 entscheidende Punkte für den gewaltlosen Kampf“ wird derzeit vor allem in der arabischen Welt verschlungen. „Protest funktioniert wie ein ganz normales Business: Wenn du länger als zehn Minuten brauchst, um dein Gegenüber von deinem Produkt zu überzeugen, dann wirst du nichts verkaufen“, sagt Popovic.
CANVAS wurde 2004 von Slobodan Djinovic und Popovic in Belgrad gegründet. Die Finanzierung von CANVAS erfolgt durch das Ausland, insbesondere aus US-amerikanischen Quellen. Die amerikanische NGO „Freedom House“ unter der Leitung des ehemaligen CIA-Direktors James Woolsey bildet Trainer aus und finanziert „Aktivistencamps“. Zu den weiteren Sponsoren zählt wieder(!) das „Open Society Institute“ von George Soros. Auch der Mitbegründer der „Jugendbewegung des 6. April“ Mohamed Adel bekam im Juli 2011 in Belgrad einen Crashkurs in Sachen Revolution. Die „Jugendbewegung des 6. April“ gehörte später zu den Initiatoren der Revolution in Ägypten 2011.
Aus kürzlich durchgesickerten E-Mails geht hervor, dass CANVAS-Gründer Popovic mit der CIA und dem für das Pentagon tätigen, von George Friedman 1996 gegründeten, Spionageunternehmen STRATFOR kollaboriert hat; dessen gute Verbindungen zu Militärgeheimdiensten der USA sind allgemein bekannt“. Das US-Magazin Barron’s bezeichnete STRATFOR aufgrund seiner nachrichtendienstlichen Eigenschaften 2010 als „Schatten-CIA“.
Kommen wir zu „Freedom House“, oder besser zu dem schon genannten Leiter, dem Ex-CIA-Direktor James Woolsey. Dieser war auch Mitglied einer anderen NGO beziehungsweise eines anderen Thinktanks – Dem „Project for the new american century“ (PNAC). Aus Wikipedia: „Das PNAC war inner- und außerhalb der USA umstritten. Kritiker argwöhnten, die Denkfabrik verfolge zum Nachteil anderer Staaten rein US-amerikanische Interessen und strebe eine Vorherrschaft der USA in der Weltpolitik an (Pax Americana) – und betreibe dafür umfangreiche Lobbyarbeit unter Politikern. Das PNAC nannte seine Vorgehensweise, umfangreiche politische Konzepte für Parlamentarier so zu straffen, dass sie in eine Aktentasche passen, brief case test.“

Die Thesen des PNAC

  • US-amerikanische Führerschaft ist sowohl gut für die Vereinigten Staaten von Amerika als auch für die ganze Welt.
  • Eine solche Führerschaft erfordert militärische Stärke, diplomatische Energie und Hingabe an moralische Prinzipien.
  • Eine multipolare Welt hat den Frieden nicht gesichert, sondern stets zu Kriegen geführt.
  • Die Regierung der Vereinigten Staaten soll Kapital schlagen aus ihrer technologischen und wirtschaftlichen Überlegenheit, um durch Einsatz aller Mittel - einschließlich militärischer - unangefochtene Überlegenheit zu erreichen.
Das PNAC wurde 1997 gegründet und 2006 wieder eingestampft. Die Nachfolgeorganisation „Foreign policy initiative“ (FPI) wurde 2009 gegründet und existiert bis heute. Das FPI ist ein neokonservativer Thinktank, der eine aggressive, interventionistische US-Außenpolitik fördert. Laut der eigenen Website ist das FPI einer starken Unterstützung seiner Verbündeten verpflichtet, den Menschenrechten und einem starken amerikanischen Militär, um den Herausforderungen des 21 Jahrhundert gewappnet zu sein und um die globale Wettbewerbsfähigkeit der USA zu stärken.
Während der Einfluss verschiedener Thinktanks an der Orangenen Revolution als erwiesen gelten, kann man dies über die momentanen Geschehnisse in der Ukraine noch nicht sicher sagen. Wahrscheinlich ist es alle mal. Nur ein Gefühl, kein Fakt. Sieht man sich die Vergangenheit an, wurde zu viel von Soros und Konsorten und deren NGOs investiert, um das Projekt Ukraine einfach aufzugeben. Klitschko ist in diesen Kreisen nur ein nützlicher Idiot und dient als populäres Gesicht einer groß angelegten Kampagne. In Ländern, die sich der von der Wall Street, dem Pentagon, der City of London und der EU verordneten "Neuen Weltordnung" widersetzen, finden sich immer arme Schwachköpfe, die sich mit Bargeld, Versprechungen oder auch nur mit Nahrungsmitteln für eine "Revolution" gewinnen lassen und dann auf die Straße gehen, um später schmerzlich feststellen zu müssen, dass sich nichts verbessert. Fragt die Jungs uns Mädels in Ägypten.

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